Das wunderbare "Air"
Christian Kracht stellt sein neues Buch im Berliner Ensemble vor
![]() |
Unser kleiner Hospitant, Pati, das Katerchen, präsentiert "AIR" |
Das perfekte Weiß, dachte er. Ja, ja, da war er der Richtige. Einmal Weiß, natürlich, bitte sehr. Nicht zu beige, nicht zu eierschalenfarben, nicht zu blaukalt wie Schneeweiß. Keine Eisfarbe. Menschenskind. Kūki. Super. Wie sie nur gerade auf ihn gekommen waren. Er freute sich außerordentlich. Was für eine tolle Ehre.
Das Wohlstandsschnöselige von Christian Kracht. In AIR begegnet man dem natürlich bereits auf den ersten Seiten, nein, schon im allerersten Satz. Er kann es sich halt leisten. Auch sprachlich. Und so sind wir immer wieder aufs Neue (fast gegen unseren Willen) von ihm gefangen, betört, fasziniert. Da kann er ganz altmodisch und dennoch lässig die "große Erzählung" auspacken, gespickt allerdings mit neuzeitlichen Findungen und Erfindungen, darin ein gelangweilt vor sich hin Lebender, einer, der so viel hat, dass er in freiwilliger Askese den Verzicht zu leben sucht, widersinniger Weise voll Freude der Ehre gedenkt, die in einem an ihn herangetragenen Auftrag liegt, der dem Überfluss und einem etwas schalen Ästhetizismus huldigt.
Ach ja, die Leere, die Verflachung, der Stein. Und doch: in all dem erhebt sich, flügelleicht, die Fantasie, geht on Air, erhellt und erheitert und vertieft das schnöde Einerlei im Hier und Jetzt. Christian Kracht sucht und findet das "Dort", was und wo auch immer das sein mag. Vielleicht "unser Leben: ein Traum." (Klappentext)
In jedem Fall: es lebe die Literatur!
Oder aber auch: Das Buch, "beraten" von einer AI?
Kracht stellt im Berliner Ensemble sein Buch vor, sehr unprätentiös, da ausschließlich daraus lesend, Kapitel I, II, III und IV, nichts erklärend und nicht einen Satz vorausschickend. Mit warmer, weicher Stimme, ganz ohne jede Akrobatik (a la Rainald Goetz), eher ein wenig wie ein schüchterner Märchenonkel und dennoch in heiterer Distanz zu sich selbst.
"Man muss ein Literatur-Nerd sein, um eineinhalb Stunden einer solchen Lesung zu folgen", denkt sich anfangs die Redakteurin der Paganini´s-Redaktion. (Man bedenke, dass Bühne und Lesepult klitzeklein erscheinen, im 2. Rang.) Doch wenn dem so ist, dann muss es viele Nerds in dieser Stadt Berlin geben. Das Theater ist bis auf den letzten Platz, auf dem wir sitzen, ausverkauft. Und alle folgen der Lesung ein wenig wie Kinder, eingelullt von irgendwie typischen Kracht-Sätzen, die so filigran und fein durch den Äther schweben und dennoch immer wieder verblüffend das Genre wechseln.
Über das (gerade erst erschienene!) Buch hat man bereits jede Menge erfahren können, in einer der unzähligen Rezensionen, in Gesprächen und geschriebenen Gedanken darüber. Und doch spüren die Zuhörenden, dass es vermutlich immer und immer wieder, mit jedem erneuten Lesen von AIR, etwas weiteres zu erkennen, zu erahnen gibt. Und dass sich Fragezeichen um Fragezeichen in heißen Leser-Köpfen auftun könnte.
Plötzlich ist man sehr dankbar darüber, dass der Autor, statt eine eigene, kurze Einführung voraus zu schicken, einfach seinen langjährigen Weg-Begleiter und Lektor Helge Malchow auf die Bühne lässt. Dieser freut sich (natürlich ohne erstaunt zu sein), dass "Rezensionen auf das Buch herabprasselten, getragen allesamt von einer Energie der großen Freude darüber, dass wieder ein ganz anderes Buch zu besprechen war, als alle anderen davor und dennoch ein echter Christian Kracht."
Viele Tiere (so auch eine einäugige Katze!) haben dieses Mal in Krachts Buch Einlass gefunden, wie einiges andere auch, durchaus animiert von Wünschen der 15jährigen Tochter.
Und dieser verdankt sich noch ein ganz besonderer Hinweis:
"AIR, in diesem Titel sei doch eindeutig AI enthalten!"
"Es gibt Bücher", so Malchow, "die werden mittlerweile weitgehend von AI geschrieben und andere Bücher, die werden gegen die AI geschrieben". Und nun frage er, der Lektor, geradewegs in die Gesichter der eventuell anwesenden Literaturkritiker hinein:
"Was hat AIR mit künstlicher Intelligenz zu tun?"
WE (the Paganini´s) REALLY DON`T KNOW.
Doch damit ist (sehr geschickt) der Startschuss zu einer neuen Runde gefallen, die da heißt: "Literaturkritik sucht nach dem, was Kracht meinen könnte."
Bumm!
P.S. In die Träume hinein begleitet uns dennoch - nach diesem Abend - nur die leise Stimme des Autors. Und wie er über die einäugige Katze spricht:
Er mochte keine Katzen. Diese hier war ihm zugelaufen. Er hatte eines Morgens die Haustür geöffnet, und sie war erschienen und an seinen Füßen vorbei ins Haus spaziert, als wohne sie nun da bei ihm.
Miau!
Mehr zum Buch in der sehr schönen Besprechung in der FAZ ->
Kommentare
Kommentar veröffentlichen