Plädoyer für ein neues Bildungsbügertum ...
Oder: Wie fest sitzt die "Bürgerliche Haut"
Hat man genügend revoltiert, dann darf man irgendwann auch auf das (zurück) blicken, das z.B. einst von einem Vater, dem man überaus ambivalent gegenüber stand und steht, unter anderem überlassen wurde.
Heute zum ersten Mal gelesen, zunächst mit Skepsis, dann mit Interesse, später durchaus auch mit Bewunderung, der Hinweis auf das Buch meines Vaters Dr. Erhard van den Bergh, das mir, 1982 geschrieben und ein Jahr später im Econ-Verlag erschienen, wahrlich nicht obsolet zu sein scheint.
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| Cover Econ Verlag, Dr. Erhard van den Bergh, Chance des Bürgers |
Margaret Mead hat als Grundursache des weltweiten Aufstandes der Jugend genannt: "das Bewußtsein, daß die Vergangenheit ein Fehlschlag von weltweitem Ausmaß gewesen sei." Das mußte notwendig zu einer Absage an die Welt der Väter führen. Im übrigen sprachen schon die Rebellen der APO von sich als einer "vaterlosen Generation". Offenbar hatten sie das Empfinden, daß die Generationen sich nicht mehr verständen. Es rächte sich wohl auch, daß ihre Väter zuviel verschwiegen, zuviel Vergangenheit ausgeklammert hatten ...
Wenn man denn will ...
Übrigens: In seinen letzten 5 Jahren, also in einem Alter von 90 bis 95 (und nach dem Tod seiner Frau), sprach er sehr offen über sein Leben, seine Grenzen ("Ich kenne mich selbst nicht so gut"), seine Lebens-Ängste und seine Angst vor dem Tod. Die Pflegerinnen der Pension, in dem er seine letzten Tage verbachte, berichteten mir, dass er immer wieder voll Entsetzen mit dem Zeigefinger in die Ferne zeigte und schrie: "Da, da haben sie schon wieder einen Juden weggebracht!"
Und dennoch: Es bleiben Fragen und Wünsche offen, Fragen und Wünsche, die er vielleicht niemals verstanden hat. Und/Oder, die ihm lästig gewesen sind. Das Wohlergehen seiner Kinder war ihm jedenfalls weit weniger wichtig, als die Beantwortung der Frage: "Warum wir dabei waren".
An diesem Manuskript über seine erste Begeisterung (und spätere Enttäuschung) bezüglich der NSDAP, arbeitete er Jahre hindurch an seinem Schreibtisch, längst pensioniert, aber dennoch als Vater weitgehend abwesend. Es ist durchaus zu vermuten, dass er mit diesem langen Text eine Form der Absolution zu erreichen suchte, ich höre noch immer seine leicht erregte Bariton-Stimme, die meiner Mutter die Sätze diktiert, damit diese (einst begeistertes BDM-Mädel) im selben Takt in die Tasten der Schreibmaschine hämmern konnte. Ich erinnere mich auch - einige Zeit danach - an die distinguierten Herren zweier Verlage, die bei uns Kaffee tranken und ihre Begeisterung, aber auch ihre Bedenken bezüglich dieses Textes äußerten. (Das Manuskript blieb schließlich unveröffentlicht.)
Es verstaubt nun in einer Kiste, die ich aufbewahre.
Meine Familie war glamourös, auf eine derart herzzerreißende, irrationale und (im wahrsten Sinn des Wortes) grausame Art und Weise, dass man zwar traumatisiert unter den Federn der Eltern hervor kroch, aber bei alldem gar nicht recht wusste, warum man sich hintergangen fühlt.
Gott sei Dank, alles ist gut nun, so gut wie es schrecklich ist!
Das Buch gibt es nur noch antiquarisch, z.B. hier ->




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